Lyngbakr â das tĂŒckische Seeungeheuer aus dem Norden
In den Sagas der Wikinger erzĂ€hlte man sich von Lyngbakr, dem âHeiderĂŒckenâ: einem gigantischen Wal, so gewaltig, dass sein RĂŒcken wie eine mit Heide bewachsene Insel aus dem Meer ragte. Viele ahnungslose Seefahrer fanden hier ihr Ende, als sie auf dem RĂŒcken des Ungeheuers lagerten und Lyngbakr plötzlich in die Tiefe abtauchte, das Schiff und die gesamte Mannschaft mit sich riss.
Inhaltsverzeichnis
Gewaltiges Seemonster in der nordischen Mythologie
Der Lyngbakr entstammte der nordischen Sagenwelt und wurde insbesondere in der islĂ€ndischen Saga von Ărvar-Oddr (auch âSaga von Arrow-Oddâ genannt) erwĂ€hnt. Diese Saga, verfasst im 13. Jahrhundert, berichtete von den abenteuerlichen Fahrten des legendĂ€ren Helden Ărvar-Oddr.
In Kapitel 21 der Saga begegnete Ărvar-Oddr im Grönland-Meer zwei unheimlichen Meereswesen: dem Lyngbakr und der Hafgufa. Auf der Jagd nach dem Trollzauberer Ăgmundr Floki segelte Ărvar-Oddr durch nebelverhangene GewĂ€sser, als plötzlich zwei felsartige Gebilde aus dem Wasser ragten. Kurz darauf stieĂen sie auf eine vermeintliche Insel, dicht bewachsen mit Heidekraut. Oddr schickte fĂŒnf seiner MĂ€nner aus, um die Insel zu erkunden und Trinkwasser zu suchen. Doch bevor sie sich versahen, begann der âInselâ-RĂŒcken sich zu bewegen und im Meer zu versinken â und riss die unglĂŒcklichen Kundschafter in die Tiefe. BestĂŒrzt beobachtete die restliche Crew vom Schiff aus, wie sowohl die âInselâ als auch die zuvor gesichteten Felsen einfach verschwanden.
Erst der erfahrene Steuermann Vignir löste das tödliche RĂ€tsel auf. Er erklĂ€rte Ărvar-Oddr, dass es keine gewöhnlichen Felsen und kein echtes Eiland gewesen waren, sondern zwei gigantische Meeresungeheuer. Die felsigen Spitzen waren nichts anderes als die gewaltigen NĂŒstern der Hafgufa â eines uralten Ungeheuers, âdas alle anderen Meeresmonster geboren hatteâ. Und die vermeintliche Heide-Insel war der RĂŒcken des Lyngbakr, des gröĂten Wals der Welt. Laut Vignir hatte der listige Troll Ăgmundr diese Bestien heraufbeschworen, um Ărvar-Oddr und seine MĂ€nner zu vernichten. Nur ihrem Misstrauen und schnellen RĂŒckzug verdankten sie ihr Ăberleben. So fand der Lyngbakr seinen Platz in der nordischen Mythologie als sinnbildliche Warnung an alle Seefahrer: Nicht alles, was wie ein sicherer Hafen aussah, war auch wirklich Land.
Parallelen zu anderen Kulturen
Interessant ist, dass die Episode um Lyngbakr und Hafgufa vermutlich kein rein einheimischer Einfall der IslĂ€nder gewesen war, sondern auf weitverbreitete antike und mittelalterliche Seefahrermotive zurĂŒckging. Schon im Physiologus, einem frĂŒhmittelalterlichen Naturlehrbuch, wurde ein Ă€hnliches Wesen beschrieben: der gewaltige Aspidochelone, halb Fisch, halb Schildkröte, der Seefahrern als Insel erschien. In christlichen Deutungen galt dieser âInselwalâ gar als Sinnbild des Teufels, der mit verlockenden RastplĂ€tzen die arglosen Seelen in die Tiefe zog.
Diese Vorstellungen wanderten vermutlich ĂŒber Klosterschulen und Handelswege bis nach Skandinavien. Die Lyngbakr-Episode in der Ărvar-Oddr-Saga konnte also von solchen Ă€lteren Legenden inspiriert gewesen sein. TatsĂ€chlich fanden sich Ă€hnliche ErzĂ€hlungen auch in anderen Kulturen â man denke an Sindbad den Seefahrer, der in Tausendundeine Nacht auf dem RĂŒcken eines riesigen Fisches ein Feuer entzĂŒndete und beinahe ertrank, als das âInselâ-Tier abtauchte.
Aussehen und Jagdmethode
KĂŒnstler stellten den Lyngbakr oft als gigantischen âInselwalâ dar â ein trĂŒgerisches Meeresungeheuer, das sich als mit Heidekraut bewachsene Landmasse tarnte. Der Name Lyngbakr bedeutete wörtlich âHeiderĂŒckenâ (altnordisch: lyngi = Heidekraut, bakr = RĂŒcken) â eine treffendere Beschreibung fĂŒr das Erscheinungsbild dieses Wesens konnte es kaum geben.
Aus der Ferne wirkte sein Körper dunkelschwarz, bei nĂ€herer Betrachtung jedoch moosig-grau und von Pflanzen durchsetzt. Seine Augen lagen oben auf dem Kopf und erschienen Seefahrern wie seichte Teiche oder WasserpfĂŒtzen auf einer vermeintlichen InseloberflĂ€che. Versuchte man jedoch, aus diesen âTeichenâ Wasser zu schöpfen, weckte man den schlafenden Riesenwal â ein tödlicher Fehler.
Der Lyngbakr verhielt sich meist trĂ€ge und listig. Er jagte nicht aktiv nach Schiffen, sondern lag oft stunden- oder tagelang reglos an der WasseroberflĂ€che. Dieser Mix aus Tarnung und TĂ€uschung war seine Jagdmethode: Er lockte Seefahrer an, die gutglĂ€ubig auf seinem RĂŒcken anlegten oder gar ein Lager errichteten. Sobald sich genĂŒgend Beute versammelt hatte, tauchte der Gigant unversehens ab â und riss Menschen und Schiffe in die Tiefe.
Aus moderner Sicht lieĂ sich im Lyngbakr sogar ein erstaunlich realistischer Kern erkennen. Meeresbiologen vermuteten, dass hinter Legenden wie Hafgufa und Lyngbakr möglicherweise echte Beobachtungen von Walen standen. Erst in jĂŒngerer Zeit entdeckte man bei Walen ein spezielles Jagdverhalten namens Trap Feeding: Dabei positionierten sich die Tiere reglos und vertikal im Wasser, das Maul weit geöffnet â und lieĂen die Fische in der trĂŒgerischen Sicherheit hineinschwimmen, nur um sie dann in Massen zu verschlingen.
Mittelalterliche Texte berichteten zudem, dass Hafgufa eine wohlriechende Köderwolke ausstieĂ, um Fische anzulocken. Dies entsprach frappierend dem Verhalten realer Wale, die durch ihr Erbrochenes Futterreste ins Wasser abgaben â ein Verhalten, das Fische anzog und dabei einen kohlartigen Geruch verbreitete. Der Lyngbakr wiederum konnte durch das sogenannte âLoggingâ inspiriert worden sein â eine Ruheposition von Walen, bei der sie stundenlang bewegungslos an der OberflĂ€che trieben. In dieser Position konnten sie tatsĂ€chlich wie treibende BaumstĂ€mme oder kleine Inseln erscheinen.
Dem Volksglauben nach fraĂ der Lyngbakr nur selten â vielleicht einmal in mehreren Jahren. Doch wenn er fraĂ, verschlang er alles, was ihm vor das Maul kam: Fische, Vögel, Menschen und selbst andere Wale.
Von den nordischen Seefahrern wurde der Lyngbakr zu den Illhveli (âbösen Walenâ) gezĂ€hlt â einer Gruppe berĂŒchtigter teuflischer Walungeheuer, die den Menschen gezielt Schaden zufĂŒgen sollten. Der Lyngbakr galt als das gröĂte dieser Monster; nur die sagenumwobene Hafgufa wurde mitunter noch gigantischer beschrieben. Anders als kleinere âböse Waleâ wie der rote MĂ€hnenwal (Raudkembingur) oder der Schiffshindernis-Wal (Stökkull) suchte der Lyngbakr keine direkte Konfrontation. Stattdessen verlieĂ er sich auf seine Tarnung.
Im norwegischen Lehrtext Konungs skuggsjĂĄ (âKönigsspiegelâ) aus dem 13. Jahrhundert wurde ein Ă€hnliches Wesen beschrieben: ein riesiger Wal, den man fast nie zu Gesicht bekam und von dem es nur ein oder zwei Exemplare geben sollte â denn sonst wĂŒrde er die Meere ĂŒberfluten. Man kann vermuten, dass es sich dabei um dieselbe Kreatur handelte, die in Island Lyngbakr genannt wurde.
Symbolik und mythologische Bedeutung
Wie viele Kreaturen der nordischen Mythologie verkörperte der Lyngbakr tiefere Ăngste, Lehren und Vorstellungen der Menschen jener Zeit. Symbolisch stand er vor allem fĂŒr die Gefahren und trĂŒgerische Unberechenbarkeit des Meeres.
Einige Mythenkundler deuteten den Lyngbakr als Allegorie fĂŒr Betrug und Schein. Er tarnte sich als friedvolle Insel, als sicherer Boden â und entpuppte sich doch als verschlingendes Ungeheuer. Er Ă€hnelte klassischen Seeungeheuern anderer Kulturen, etwa der griechischen Skylla und Charybdis, die Odysseusâ Seeleute ins Verderben lockten, oder dem bereits erwĂ€hnten Aspidochelon.
Zugleich diente die Geschichte des Lyngbakr als mahnende ErzĂ€hlung. Seefahrer wurden gewarnt, allzu blind auf den ersten Anschein zu vertrauen und sollten stets wachsam bleiben. Die Saga von Ărvar-Oddr zeigte deutlich: HĂ€tte der Held seinem Entdeckerdrang blindlings nachgegeben und die Insel betreten, wĂ€re er mitsamt seiner Crew in den Tiefen des Meeres versunken. Nur der Zweifel und die Weisheit seines GefĂ€hrten Vignir bewahrten sie vor dem Untergang. In gewisser Weise stand der Lyngbakr also auch fĂŒr eine PrĂŒfung des Helden: Er testete seine Umsicht, seinen Respekt vor den Naturgewalten â und vielleicht sogar sein Gottvertrauen. Die Wikinger wussten, dass man die See niemals zĂ€hmen konnte. Man konnte ihm nur mit Demut begegnen â und stets mit dem Schlimmsten rechnen. Der Lyngbakr personifizierte diese lauernde Gefahr.
Feinde und heldenhafte Kontrahenten
In den ĂŒberlieferten ErzĂ€hlungen trat der riesige Wal meist nicht isoliert auf, sondern im Kontext einer Heldengeschichte. Sein berĂŒhmtester âGegenspielerâ war der bereits erwĂ€hnte Krieger Ărvar-Oddr, ein legendĂ€rer Wikingerheld. Ărvar-Oddr trug in keinem klassischen Kampf gegen den Lyngbakr den Sieg davon â denn dieses Ungeheuer lieĂ sich nicht wie ein Drache oder Troll mit Waffen richten. Die PrĂŒfung fĂŒr den Helden lag in der Erkenntnis der Gefahr und im klugen Umgang mit ihr.
Ărvar-Oddrs eigentlicher Feind in dieser Episode war der Hexer Ăgmundr Floki, der die Monster heraufbeschworen hatte. Der Lyngbakr selbst fungierte als nahezu unbesiegbares NaturphĂ€nomen, das es zu ĂŒberlisten galt. Ărvar-Oddr bestand diese PrĂŒfung, indem er dem Rat Vignirs folgte und rechtzeitig die Flucht ergriff â noch bevor das Ungeheuer zuschlagen konnte. Dennoch forderte der Walfisch seinen Tribut: FĂŒnf seiner MĂ€nner bezahlten die Begegnung mit dem Leben. In der Rolle des listigen Fallenstellers Ă€hnelte Lyngbakr vielen anderen Ungeheuern aus Heldensagen â er prĂŒfte die Wachsamkeit und Demut des Helden. Nur wer klug und vorsichtig handelte, entkam der Todesfalle.
In der nordischen Mythologie traten vergleichbare Meeresungeheuer selten als personalisierte Feinde auf, sondern eher als SchicksalsmÀchte. Das bekannteste Beispiel eines Helden im Kampf gegen ein riesiges Meerwesen war der Gott Thor, der die Midgardschlange (Jörmungandr) angelte. Doch wÀhrend Thor die Weltenschlange tatsÀchlich bekÀmpfen wollte, stellte sich niemand direkt gegen den Lyngbakr. Stattdessen versuchte man durch kluge Navigation und Gottvertrauen eine Begegnung mit dem Monstrum zu vermeiden.
Lyngbakr und Hafgufa â ein tödliches Duo aus der Tiefe
Gleichwohl inspirierte die unheimliche Paarung von Lyngbakr und Hafgufa immer wieder zu Vergleichen mit berĂŒhmten Ungeheuer-Duos anderer Mythologien. So zog man Parallelen zu den erwĂ€hnten griechischen Seeungeheuern Skylla und Charybdis. Beide Paare reprĂ€sentierten zwei unterschiedliche, aber gleichzeitig auftretende Gefahren aus der Tiefe: hier der heimtĂŒckische âInselwalâ Lyngbakr und die alles verschlingende âMeeresdameâ Hafgufa â dort die klippenhafte SechskopfhĂŒndin und der zerstörerische Mahlstrom.
FĂŒr die Seeleute vergangener Zeiten trugen solche ErzĂ€hlungen auch einen tröstlichen Aspekt in sich: Wenn selbst groĂe Helden wie Ărvar-Oddr oder Odysseus beinahe an solchen Meeresmonstern zugrunde gingen, dann war das Meer kein ungerechtes, diskriminierendes Ungeheuer â sondern eine allgegenwĂ€rtige, gleichgĂŒltige Macht, die jeden treffen konnte.
Die Lektion lautete stets: Mut brauchte Verstand â und Hybris wurde auf See tödlich bestraft.
Rezeption des Lyngbakr in moderner Literatur und Popkultur
Obwohl der Lyngbakr nicht zu den aller bekanntesten Kreaturen der Mythologie zĂ€hlt, hat er es doch in verschiedenen Formen in die moderne Kultur geschafft. Vor allem in seinem Heimatland Island lebt die Legende vereinzelt in der Folklore fort. So berichtet eine islĂ€ndische Volkssage (aufgezeichnet Anfang des 20. Jahrhunderts von SigfĂșs SigfĂșsson) von einem Vorfall, bei dem zwei Geschwister â MagnĂșs und BrandĂŸrĂșður â auf See beinahe einem Lyngbakr begegnet wĂ€ren. Die beiden waren an einem FrĂŒhlingsmorgen beim Fischen an der KĂŒste unterwegs, als sie in der Ferne eine seltsame Erscheinung im Wasser sahen: einen riesigen, quallenartig gewölbten Körper, so groĂ wie ein kleines Eiland, dessen obere HĂ€lfte aussah wie Erdreich, ĂŒberwachsen mit Heidekraut. Neugierig trieb ihr Boot nĂ€her. Doch rechtzeitig erkannten sie, dass dieses âEilandâ sich in Wirklichkeit weit in die Tiefe erstreckte und lebendig war â erschrocken ruderten sie davon, bevor das Wesen vollstĂ€ndig auftauchte. Viele Einheimische glaubten, dass es sich bei diesem Wesen um einen Lyngbakr handelte. Solche ErzĂ€hlungen zeigen, dass der Glaube an das Heide-Ungeheuer stellenweise bis in die Neuzeit ĂŒberdauerte, vor allem in den KĂŒstenregionen Islands.
International bekannt wurde der Lyngbakr jedoch lange kaum, da er in den groĂen schriftlichen Epen (wie der Edda) keine Rolle spielt. Erst mit dem modernen Interesse an Fantasy und nordischer Mythologie fand auch dieses Wesen seinen Weg in Literatur, Spiele und Medien. In der Fantasy-Literatur taucht der Name Lyngbakr gelegentlich in Nachschlagewerken und Romanen mit nordischem Einschlag auf. Beispielsweise erwĂ€hnen populĂ€re Mythologien-SammelbĂ€nde und RollenspielhandbĂŒcher den Lyngbakr als skurrile Anekdote aus den IslĂ€ndersagas.
Neil Gaiman verzichtete in seiner NacherzĂ€hlung der Nordischen Mythen zwar auf das Wesen, doch Hotel Valhalla: Guide to the Norse Worlds (ein Begleitbuch zur Romanreihe Magnus Chase von Rick Riordan) fĂŒhrt Lyngbakr als eine der kuriosen Kreaturen auf, denen ein Besucher der Neun Welten begegnen könnte. Auch SachbĂŒcher und Blogs ĂŒber Meeresmonster greifen den Lyngbakr gerne auf, da er ein schönes Bindeglied zwischen Kraken-Legenden und Wal-Beobachtungen ist. So wird er etwa in wissenschaftlichen Artikeln ĂŒber den Kraken-Mythos erwĂ€hnt, wenn es um mittelalterliche Wal-Analysen geht.
Richtig populĂ€r wurde Lyngbakr aber in den letzten Jahren durch Videospiele. Ein prominentes Beispiel ist God of War: Ragnarök (2018/2022), ein Action-Adventure. Dort begegnet der Spieler einer gefesselten riesigen Kreatur namens Lyngbakr in Svartalfheim, die als lebende Insel im Spiel inszeniert wird. In einer optionalen Nebenquest (âThe Weight of Chainsâ) befreit man diesen gigantischen Wal aus seinen Ketten â eine direkte Anspielung auf die Sage, nur mit vertauschten Rollen: Hier retten die Helden das Ungeheuer, statt ihm zu entkommen. Die Darstellung in God of War nutzt die eindrucksvollen Elemente der Vorlage: Der Lyngbakr erscheint als kolossaler Wal, an dessen RĂŒcken Felsen und GewĂ€chse haften, sodass er mit der Umgebung verschmilzt. Das Spiel verleiht dem Monster zudem eine tragische Note, indem es als einst von den Göttern ausgebeutetes Wesen gezeigt wird â eine kreative Neuinterpretation, die die Sympathie der Spieler weckt. Die Resonanz auf diese Episode war groĂ; plötzlich interessierten sich viele Gamer dafĂŒr, ob dieses âInsel-Monsterâ wirklich aus der Mythologie stammt â was tatsĂ€chlich der Fall ist.
Auch in der Welt der Online-Rollenspiele hat Lyngbakr seinen Auftritt. Im populĂ€ren MMORPG Final Fantasy XIV (Erweiterung Endwalker, Patch 6.4 im Jahr 2023) begegnen Spieler einem Bossgegner namens Lyngbakr in einem Eisdungeon namens âThe Aetherfontâ. Dieser wird als gigantisches, mutiertes Fischwesen inszeniert, das mit heftigen Attacken (vielsagend benannt etwa Upsweep, angelehnt an einen rĂ€tselhaften Ozean-Klang) die Spielergruppen herausfordert. Zwar entspricht diese Darstellung nur lose dem ĂŒberlieferten Lyngbakr (der Boss hat z.B. vier Flossen und speit WasserfontĂ€nen), doch allein die Namenswahl zeigt die fortdauernde Faszination am nordischen âHeiderĂŒckenâ. Viele Spieler erkannten den Namen sofort aus SagenbĂŒchern oder dem God-of-War-Spiel wieder und freuten sich ĂŒber diese mythologische Referenz.
In Film und Fernsehserien ist der Lyngbakr bisher noch ein seltener Gast â hier dominieren eher bekanntere Seeungeheuer wie der generische Kraken oder die Midgardschlange. Jedoch finden sich in Doku-Serien oder BĂŒchern ĂŒber Kryptozoologie bisweilen Verweise auf Lyngbakr, oft im Kontext des RĂ€tsels, was historische Seefahrer eigentlich gesehen haben könnten. So manches Fantasy-Kunstwerk oder MusikstĂŒck greift das Motiv ebenso auf: In der Metal- und Ambient-Musikszene existieren Lieder und sogar Bandnamen wie Lyngbakr, die von den unheimlichen Meerestiefen inspiriert sind. Der islĂ€ndische KĂŒnstler ArngrĂmur Sigurðsson schuf in seinem Projekt DuldĂœrasafnið (Museum der verborgenen Wesen) ein eindrucksvolles GemĂ€lde des Lyngbakr, das den Wal als moosbewachsene Insel im winterlichen Meer zeigt â eine gelungene Visualisierung, die traditionelle Saga und moderne Kunst verbindet.
AbschlieĂend kann man sagen: Der Lyngbakr mag im Schatten berĂŒhmterer Fabelwesen stehen, doch seine Geschichte ĂŒbt nach wie vor eine starke Anziehungskraft aus. Als spannende Mischung aus Abenteuer, Schauer und Seemannsgarn lebt der âHeiderĂŒckenâ in BĂŒchern, Spielen und ErzĂ€hlungen weiter.
FAQ
Offene Fragen versuchen wir an dieser Stelle zu beantworten. Du hast weitere Fragen, so stelle diese gerne in einem Kommentar. Wir versuchen, alle Fragen zu beantworten.
Was genau ist der Lyngbakr?
Der Lyngbakr ist ein gewaltiges Seeungeheuer aus der nordischen Mythologie â genauer gesagt ein riesiger Wal, dessen RĂŒcken so groĂ und mit Heidekraut bewachsen ist, dass er aus der Ferne wie eine kleine Insel aussieht. Der Name bedeutet wörtlich âHeiderĂŒckenâ (altnordisch lyng = Heidekraut, bakr = RĂŒcken).
Wo wird der Lyngbakr erwÀhnt?
Der Lyngbakr wird vor allem in der islĂ€ndischen Saga von Ărvar-Oddr beschrieben. Diese mittelalterliche Abenteuersaga schildert, wie der Held Ărvar-Oddr beinahe auf dem RĂŒcken des Lyngbakr landet â in dem Glauben, es handle sich um eine gewöhnliche Insel. Auch in islĂ€ndischer Folklore taucht der Lyngbakr vereinzelt wieder auf.
Warum wird der Lyngbakr mit einer Insel verwechselt?
Weil sein RĂŒcken riesig und ĂŒberwuchert ist â mit Heidekraut, Moos oder anderen Pflanzen. Vögel landen darauf, es entstehen kleine WasserpfĂŒtzen, und er liegt oft stunden- oder tagelang reglos an der WasseroberflĂ€che. Alles zusammen lĂ€sst ihn wie ein StĂŒck Land wirken. Das ist seine wichtigste Waffe: die Tarnung.
KĂ€mpft der Lyngbakr gegen Helden wie Thor oder Beowulf?
Nein â er wird nicht in klassischen HeldenkĂ€mpfen besiegt, sondern stellt eine listige Gefahr dar. In der Saga wird der Held Ărvar-Oddr vor dem Lyngbakr gewarnt und entkommt ihm, indem er rechtzeitig erkennt, dass es sich nicht um eine Insel handelt. Der Lyngbakr wird also nicht bekĂ€mpft, sondern ĂŒberlistet.
Gibt es noch andere Àhnliche Ungeheuer?
Ja â die nordische Mythologie kennt noch die Hafgufa, ein weiteres gewaltiges Seeungeheuer, das ebenfalls in der Saga von Ărvar-Oddr auftaucht. In anderen Kulturen gibt es verwandte Wesen:
– Aspidochelone (Antike/Christentum)
– Skylla & Charybdis (griechisch)
– Sindbads Insel-Fisch (Tausendundeine Nacht)
Quellen
- Wikipedia: https://en.wikipedia.org/wiki/Lyngbakr
- Ărmann Jakobsson, Annette Lassen (Hrsg.): _Fornaldarsagaenc** (German: „Die Saga von Ărvar-Oddr“), ReykjavĂk 2011.
- Ărvar-Odds saga (Arrow-Odd): deutsche Ăbersetzung in: Felix Niedner (Hrsg.), Thule â Altnordische Dichtung und Prosa, Bd. 20: Die Abenteuer der alten NordmĂ€nner. Jena, 1923.
- Peter Edwards, Hermann PĂĄlsson: Arrow-Odd: A Medieval Novel, New York University Press, 1970 abookofcreatures.com. (Ăbersetzung der Saga, enthĂ€lt Lyngbakr-Episode)
- Ălafur DavĂðsson: âThe Folk-Lore of Icelandic Fishesâ, in: The Scottish Review, Vol. 36, Oktober 1900, S. 312â332 boneandsickle.comabookofcreatures.com. (Analyse der islĂ€ndischen âbösen Waleâ inkl. Lyngbakr)
- Konungs skuggsjå (Der Königsspiegel), ca. 1250: ed. L.M. Larson, New York 1917 en.wikipedia.orgen.wikipedia.org. (beschreibt Hafgufa, analog zu Lyngbakr)
- Physiologus latinus (mittelalterliches Bestiarium): Edition von F.J. Carmody, Paris 1939 abookofcreatures.com. (Aspidochelone als allegorischer âInselwalâ)
- SigfĂșs SigfĂșsson: Ăslenzkar ĂŸjóðsögur og sagnir, Bd. 5, ReykjavĂk 1959, S. 139â140 grapevine.is. (islĂ€ndische Volkssage ĂŒber eine Lyngbakr-Sichtung)
- John Rogers: âMonster of the Month: Lyngbakur â Heather Backâ, in: ReykjavĂk Grapevine, 9. MĂ€rz 2017 grapevine.isgrapevine.is. (PopulĂ€rwissenschaftlicher Artikel, erzĂ€hlt Saga und Folklore)
- A Book of Creatures â Lyngbakur abookofcreatures.comabookofcreatures.com (Online-EnzyklopĂ€die der Fabeltiere, 15. Jan. 2016)
- Sascha Pare: âTerrifying sea monster âhafgufaâ⊠is actually a whaleâ, in: LiveScience, 28. Feb. 2023 livescience.com. (Zur modernen Wal-Theorie der Hafgufa/Lyngbakr-Legende)
- God of War Ragnarok â Lyngbakr godofwar.fandom.comgodofwar.fandom.com (Game Wiki, Fandom)
- Final Fantasy XIV Wiki â Lyngbakr (The Aetherfont) fanbyte.compcgamesn.com (Einbindung des Namens im Spiel)
- Mythical Encyclopedia: âLyngbakrâ (online) mythicalencyclopedia.commythicalencyclopedia.com. (Interpretation und moderne Rezeption)
- Diverse Abbildungen: Aspidochelone in der dĂ€nischen Königlichen Bibliothek (Handschrift, ca. 1400) en.wikipedia.org; GemĂ€lde von ArngrĂmur Sigurðsson aus Museum of Hidden Beings (2018) salka.is.
Disclaimer
In der Mythologie gibt es zumeist mehrere Quellen, die einen Mythos erzĂ€hlen. Das hat zur Folge, dass es oft verschiedene Versionen einer Geschichte gibt. Wir beschrĂ€nkten uns an dieser Stelle auf die fĂŒr uns schlĂŒssigste und schönste ErzĂ€hlung. Wenn alles schlĂŒssig und logisch und kohĂ€rent sein soll, dann ist man bei der Mythologie an der falschen Adresse.
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